Gruppe 5

PH mit unklaren und/oder multifaktoriellen Mechanismen

Definition

Die Gruppe 5 der WHO-Klassifikation zur pulmonalen Hypertonie (PH) umfasst eine PH mit unklaren und/oder multifaktoriellen Mechanismen – häufig mit komplexer, pulmonalvaskulärer Beteiligung.1 Zu den Ursachen zählen hämatologische, systemische und metabolische Erkrankungen, chronisches Nierenversagen, eine pulmonale tumorthrombotische Mikroangiopathie oder fibrosierende Mediastinitis.1

Klassifikation

Bei der PH-Gruppe 5 kann sowohl ein prä- als auch ein postkapillärer Lungenhochdruck vorliegen.1

Hämodynamische Parameter der präkapillären PH:1

Hämodynamische Parameter der postkapillären PH:1

Mittlerer Pulmonalarteriendruck (mPAP)

> 20 mmHg

> 20 mmHg

Pulmonalarterienverschlussdruck (PAWP)

≤ 15 mmHg

> 15 mmHg

Pulmonalvaskulärer Widerstand (PVR)

> 2 WU

≤ 2 WU bei isolierter postkapillärer pulmonaler Hypertonie (IpcPH)

> 2 WU bei kombinierter post- und präkapillärer PH (CpcPH)

Epidemiologie und Risikofaktoren

Die Entstehung der PH-Gruppe 5 beruht auf multifaktoriellen, komplexen Mechanismen, die nicht vollständig aufgeklärt sind.1

Zu den beteiligten Faktoren, allein oder in Kombination, zählen eine hypoxische pulmonale Vasokonstriktion, pulmonaler Gefäßumbau, Thrombosen, fibrotische Zerstörung und/oder extrinsische Kompression des Lungengefäßsystems, pulmonale Vaskulitis, Herzinsuffizienz bei vergrößertem Herzzeitvolumen oder linke Herzinsuffizizenz.1

Disorders associated with

pulmonary hypertension

Haematological disorders

Inherited and acquired chronic haemolytic anaemia:

• Sickle cell disease

• β-thalassaemia

• Spherocytosis

• Stomatocytosis

• Autoimmune disorders

Chronic myeloproliferative disorders:

• Chronic myelogenous leukaemia

• Polycythaemia vera

• Idiopathic myelofibrosis

• Essential thrombocytopenia

• Others

Systemic disorders

• Sarcoidosis

• Pulmonary Langerhans’s cell histiocytosis

• Neurofibromatosis type 1

Metabolic disorders

• Glycogen storage disease

• Gaucher disease

Chronic renal failure with/ without haemodialysis

Pulmonary tumour thrombotic microangiopathy

Fibrosis mediastinitis

Tab. 1: Erkrankungen, welche mit PH assoziiert sein können. Modifiziert nach 1.

Eine PH mit unklaren und/oder multifaktoriellen Mechanismen ist selten.1 Wie häufig sich eine PH aufgrund dieser Störungen entwickelt, ist weitgehend unbekannt.1

Bei Patientinnen und Patienten mit SCD liegt bei etwa 6–10 %, mit Sarkoidose bei 6–20 %, eine PH vor.1 In einer aktuellen Studie zum chronischen Nierenversagen wurde CpcPH als häufigster Phänotyp mit höchster Mortalität identifiziert.1

In einer Studie zur PH bei chronischem Nierenversagen wurden 3.504 Teilnehmende analysiert.1 Bei 65 % der Erkrankten mit Hämodialyse und bei 71 % derjenigen ohne Nierentransplantation wurde eine postkapilläre PH diagnostiziert.1

Dahingegen ist eine pulmonale tumorthrombotische Mikroangiopathie als Ursache der PH selten.1

Klinische Charakterisierung, Schweregrad und Prognose

Neben den klassischen PH-Symptomen, z. B. eine Belastungsdyspnoe oder rasche Ermüdbarkeit, treten bei dieser Unterform zusätzlich klinische Manifestationen der Grunderkrankung auf.1

Obwohl die PH-Gruppe 5 weniger erforschte Formen der PH repräsentiert, stellt sie einen signifikanten Teil der weltweiten Belastung durch PH dar.1 Bisherige Studien zeigten eine häufig erhöhte Morbidität und Mortalität.1 Somit verschlechtert das Vorliegen einer PH die Prognose der zugrunde liegenden Erkrankung.1 Insbesondere wurde bei einer SCD zusammen mit präkapillärer PH oder bei einem chronischen Nierenversagen mit CpcPH eine hohe Mortalität beobachtet.1

Den höchsten prädiktiven Wert für die Mortalität hat die Einteilung nach WHO-Funktionsklassen (WHO-FC).1

Class

Descriptiona

WHO-FC I

Patients with PH but without resulting limitation of physical activity. Ordinary physical activity does not cause undue dyspnoea or fatigue, chest pain, or near syncope

WHO-FC II

Patients with PH resulting in slight limitation of physical activity. They are comfortable at rest. Ordinary physical activity causes undue dyspnoea or fatigue, chest pain, or near syncope

WHO-FC III

Patients with PH resulting in marked limitation of physical activity. They are comfortable at rest. Less than ordinary activity causes undue dyspnoea or fatigue, chest pain, or near syncope

WHO-FC IV

Patients with PH with an inability to carry out any physical activity without symptoms. These patients manifest signs of right HF. Dyspnoea and/or fatigue may even be present at rest. Discomfort is increased by any physical activity

PH, pulmonary hypertension; WHO-FC, World Health Organization functional class.
Tab. 1: WHO-Funktionsklasse (WHO-FC) der pulmonalen Hypertonie (PH). Funktionelle Klassifizierung der PH, modifiziert nach der New York Heart Association (NYHA) gemäß WHO 1998. Modifiziert nach 1.

Diagnostik

Den diagnostischen Algorithmus beim Verdacht auf eine PH finden Sie hier, vereinfacht verfolgt dieser einen dreistufigen Ansatz:

  1. Verdachtsdiagnose

  2. Detektion mittels Echokardiographie: nicht invasives Verfahren zur Diagnose der PH.1 Für Parameter bitte hier klicken.

  3. Bestätigung der PH-Diagnose anhand der Rechtsherzkatherisierung (RHC) in einem PH-Expertenzentrum: Idealerweise findet die Durchführung bei klinisch stabilem Zustand unter optimierter Therapie der Grunderkrankung im PH-Expertenzentrum statt.1 Für Parameter bitte hier klicken.

Weiterführende Informationen zur Diagnostik finden Sie hier und eine ausführliche Beschreibung in den aktuellen ESC/ERS-Leitlinien (2022) zur PH.1

Therapie

Zum Therapiestandard der PH-Gruppe 5 gehört eine optimierte Behandlung der vorliegenden Grunderkrankung, z. B. werden bei der SCD Bluttransfusionen und bei metabolischen Erkrankungen eine Enzymsubstitutionstherapie eingesetzt.1

Für die Behandlung der PH-Gruppe 1, der PAH, wurden bereits Arzneimittel zugelassen.1 Die Wirksamkeit dieser Arzneimittel bei der PH-Gruppe 5 konnte bislang nicht anhand von randomisierten, kontrollierten klinischen Studien nachgewiesen werden.1 Bei einigen ursächlichen Grunderkrankungen der PH könnte eine pulmonalvenöse Stauung vorliegen, bei welcher für die PAH zugelassene Arzneimittel kontraindiziert sein könnten.1 Daher sollte ein Off-Label-Einsatz von diesen individuell und mit Vorsicht erwogen werden.1

Die therapeutische Strategie sollte von einem multidisziplinären Team, bestehend aus dem jeweiligen Bereich der Grunderkrankung und der PH, aufgestellt werden. Hier gelangen Sie zu den PH-Expertenzentren.

Weitere klinische Studien zur Pharmakotherapie der PH-Gruppe 5 sind notwendig.1

Eine ausführliche Beschreibung zur Therapie der PH-Gruppe 5 ist in den aktuellen ESC/ERS-Leitlinien (2022) zur PH zu finden.1

Verdacht auf PH?

Bei Verdacht auf PH mit unklaren und/oder multifaktoriellen Ursachen kontaktieren Sie hier unsere PH-Experten, um sich auszutauschen oder ein PH-Expertenzentrum in der Nähe.

Beispiel Teaser

CpcPH: Kombinierte post- und präkapilläre pulmonale Hypertonie

IpcPH: Isolierte postkapilläre pulmonale Hypertonie

mPAP: Mittlerer Pulmonalarteriendruck

MPN: Myleoproliferative Neoplasien

PAH: Pulmonale arterielle Hypertonie

PAWP: Pulmonalarterienverschlussdruck

PVR: Pulmonalvaskulärer Widerstand

SCD: Sichelzellkrankheit

PH: Pulmonale Hypertonie

WHO: World Health Organization

1.    Humbert M et al. Eur Heart J 2022; 43(38): 3818–3731.