Gruppe 3

PH bei Lungenerkrankungen und/oder Hypoxie

Definition

Die pulmonale Hypertonie (PH) assoziiert mit Lungenerkrankungen und/oder Hypoxie bildet die PH-Gruppe 3 gemäß WHO- und Nizza-Klassifikation.1

Zu dieser Gruppe zählen eine (häufig beobachtete) PH infolge einer chronisch obstruktiven Lungenkrankheit (COPD) und/oder einem Emphysem, interstitiellen Lungenerkrankungen (ILD), einer Mischform von Lungenfibrose und -emphysem (CPFE) und Hypoventilationssyndromen.1–3 Weiterhin umfasst die PH-Gruppe 3 eine PH assoziiert mit einer obstruktiven Schlafapnoe – diese tritt selten auf, außer andere Grundbeschwerden wie COPD oder Hypoventilationssyndrome am Tage (z. B. bei Adipositas) liegen vor.1,4 Für Höhenbewohner (ab 2.500 Meter über dem Meeresspiegel) hingegen gilt ein erhöhtes Risiko für eine Hypoxie-induzierte PH.1,4

Hämodynamische Definition der PH-Gruppe 3 (präkapilläre PH):1

Mittlerer Pulmonalarteriendruck (mPAP)

> 20 mmHg

Pulmonalarterienverschlussdruck (PAWP)

≤ 15 mmHg

Pulmonalvaskulärer Widerstand (PVR)

> 2 WU

Klassifikation

Die PH-Gruppe 3 infolge von Lungenerkrankungen und/oder Hypoxie ist auf eine Vielzahl an Ursachen und eine komplexe Pathophysiologie zurückzuführen.1,4 Darunter fallen auch eine nicht diagnostizierte CTEPH oder PAH sowie kardiale Komorbiditäten bei einer Lungenerkrankung, die zu einer PH führen können.1

Die WHO-Klassifikation unterteilt die Gruppe nach ihrer Ätiologie in folgende Unterformen:1,2

  • Obstruktive Lungenerkrankung oder Emphysem

  • Restriktive Lungenerkrankung

  • Andere Lungenerkrankung mit gemischt restriktivem/obstruktivem Muster

  • Hypoventilationssyndrome

  • Hypoxie ohne Lungenerkrankung

  • Entwicklungsbedingte Lungenerkrankungen

Epidemiologie und Risikofaktoren

Die PH infolge von Lungenerkrankungen und/oder Hypoxie kommt häufig vor:1

  • 1–5 % der Fälle mit fortgeschrittener COPD mit chronischer Luftnot oder Kandidatinnen und Kandidaten für Lungenvolumenreduktions-OP oder Lungentransplantation haben einen mPAP > 35–40 mmHg.1

  • 8–15 % der Fälle von idiopathischer Lungenfibrose bei Erstuntersuchung, 30–50 % im fortgeschrittenen Stadium und > 60 % im Endstadium haben einen mPAP ≥ 25 mmHg.1

  • 47–90 % der an CPFE-Erkrankte entwickeln eine schwere PH.3

  • 5 % der Höhenbewohner (> 2.500 Höhenmeter) erkranken an einer PH aufgrund geographischer und genetischer Faktoren (gesamt ca. 120 Mio. Betroffene).1,4

Zu den Risikofaktoren gehören ein höheres Alter (in einer Studie mit n = 434 lag das mediane Alter bei 72 Jahren), männliches Geschlecht und Rauchen.1,5

Klinische Charakterisierung, Schweregrad und Prognose

Das klinische Bild überschneidet sich mit den Symptomen der zugrunde liegenden Lungenerkrankung, insbesondere der Belastungsdyspnoe.1 Die klinischen Manifestationen sind hauptsächlich unspezifisch, wie z.B. Knöchelödeme.1

Häufig tritt die PH-Gruppe 3 in nicht schwerwiegender Form auf (PVR ≤ 5 WU).1 Dennoch hat sie Einfluss auf die Morbidität und Mortalität.1

Die schwerwiegende Form (PVR > 5 WU) hingegen ist selten.1 Sie betrifft 1–5 % der COPD-Erkrankten und < 10 % der Fälle mit fortgeschrittener ILD.1 Die Prognose ist schlechter als bei nicht schwerwiegender Ausprägung, weshalb eine sofortige Überweisung an ein PH-Expertenzentrum notwendig ist.1

Eine PH infolge einer ILD geht mit einer eingeschränkten Lebensqualität und einer schlechter Prognose einher.3,4 Das Adipositas-Hypoventilationssyndrom (OHS) ist oftmals schwerwiegend und mit einer Rechtsherzinsuffizienz assoziiert.4

Den höchsten prädiktiven Wert für die Mortalität hat die Einteilung nach WHO-Funktionsklassen (WHO-FC).1

Class

Descriptiona

WHO-FC I

Patients with PH but without resulting limitation of physical activity. Ordinary physical activity does not cause undue dyspnoea or fatigue, chest pain, or near syncope

WHO-FC II

Patients with PH resulting in slight limitation of physical activity. They are comfortable at rest. Ordinary physical activity causes undue dyspnoea or fatigue, chest pain, or near syncope

WHO-FC III

Patients with PH resulting in marked limitation of physical activity. They are comfortable at rest. Less than ordinary activity causes undue dyspnoea or fatigue, chest pain, or near syncope

WHO-FC IV

Patients with PH with an inability to carry out any physical activity without symptoms. These patients manifest signs of right HF. Dyspnoea and/or fatigue may even be present at rest. Discomfort is increased by any physical activity

PH, pulmonary hypertension; WHO-FC, World Health Organization functional class.

Tab. 1: WHO-Funktionsklasse (WHO-FC) der pulmonalen Hypertonie (PH). aFunktionelle Klassifizierung der PH, modifiziert nach der New York Heart Association (NYHA) gemäß WHO 1998. Modifiziert nach 1.

Diagnostik

 Den diagnostischen Algorithmus beim Verdacht auf eine PH finden Sie hier.

Diagnostik

  • Echokardiographie: Nicht invasives Verfahren zur Diagnose der PH, bei fortgeschrittener Lungenerkrankung nicht zuverlässig.1–3 → für Parameter bitte hier klicken

  • Lungenfunktionstests (PFT) und arterielle Blutgasanalyse (ABG) inklusive Bestimmung der Diffusionskapazität (DLCO).1 Häufig liegt eine sehr niedrige DLCO vor (< 45 %).1

  • Elektrokardiogramm (EKG): Abweichungen im EKG können auf eine PH hinweisen.1 → für Parameter bitte hier klicken

  • Röntgenthoraxaufnahme und Computertomographie (CT): Bildgebende Verfahren können Anzeichen einer parenchymalen Lungenerkrankung zeigen.1 → für Parameter bitte hier klicken

  • Rechtsherzkatheter (RHC): Goldstandard für die PH-Diagnose und Klassifizierung.1–4,6 Bei PH-Gruppe 3 wird RHC eingesetzt, um die Notwendigkeit einer chirurgischen Behandlung zu evaluieren.1 Idealerweise findet die Durchführung bei klinisch stabilem Zustand unter optimierter Therapie der Grunderkrankung im PH-Expertenzentrum statt.1 → für Parameter bitte hier klicken

  • Weitere Untersuchungen: Sechs-Minuten-Gehtest, hämatologische, immunologische sowie Biomarker-Tests (BNP/NT-pro-BNP).1


Zu den wichtigsten Aspekten der Bewertung einer vermuteten PH-Gruppe 3 bei Lungenerkrankungen gehören:1

  1. Ausschluss von Risikofaktoren für PAH, CTEPH oder LHD

  2. Bewertung klinischer Merkmale, u. a. Krankheitsverlauf, Sauerstoffbedarf

  3. PFT inklusive DLCO und ABG

  4. Nicht invasive Tests: BNP/NT-proBNP, EKG, Echokardiographie

  5. Bildgebung: CT, SPECT oder V/Q-Lungenscan, ggf. Kombination aus Echokardiographie und kontrastverstärkte CT, ggf. cMRI

grafik-ph-bei-lungenerkrankungen-oder-hypoxie-diagnostik

Abb. 1: Klinische Untersuchungen zur Wahrscheinlichkeit einer PH bei Lungenerkrankungen.a Untersuchungen müssen schrittweise in den klinischen Kontext integriert werden, um die Wahrscheinlichkeit und Ätiologie von PH zu ermitteln. Modifiziert nach 6.


Weiterführende Informationen zur Diagnostik finden Sie hier. Eine ausführliche Beschreibung in den aktuellen ESC/ERS-Leitlinien (2022) zur PH.1

Therapie

Der Fokus in der Behandlung der PH-Gruppe 3 liegt darin, die zugrunde liegende Lungenerkrankung zu optimieren, unter anderem durch:1

  • Sauerstofftherapie

  • Nicht invasive Beatmung

  • Aufnahme in Lungenrehabilitationsprogramme

Patientinnen und Patienten mit (vermuteter) schwerer PH und/oder schwerer RV-Dysfunktion oder bei Unsicherheiten bezüglich der Therapie sollten in ein akkreditiertes PH-Expertenzentrum zur individuellen Therapieentscheidung mit ggf. Einschluss in eine klinische Studie überwiesen werden.1

Bei geeigneten Erkrankten sollte eine Lungentransplantation in Betracht gezogen werden.1 

Die klassischen für die PAH zugelassenen Arzneimittel sind nicht für die PH-Gruppe 3 indiziert.1,3,4 Die bisherigen Erfahrungen mit diesen Arzneimitteln bei der PH-Gruppe 3 sind begrenzt und widersprüchlich.1 Teilweise wurden negative Effekte auf Hämodynamik, Leistungskapazität und Gasaustausch beschrieben:1,3,4

  • Schwere PH assoziiert mit COPD oder Emphysem: erste Hinweise auf Verbesserung durch Sildenafil (PDE5i), aber aufgrund geringer Daten keine generelle Empfehlung. 

  • PH infolge einer ILD: Eine randomisierte klinische Studie wies positive Ergebnisse unter inhalativem Treprostinil (PCA) nach; klinische Studien mit ERAs und PDE5i (Sildenafil) zeigten negative Resultate; unter Ambrisentan (ERA) und Riociguat (sGC) wurden schwerwiegende Effekte auf die Krankheitsprogression beobachtet.

  • Schwere (vermutete) PH mit COPD oder ILD: Überweisung an PH-Expertenzentrum zur Erwägung einer PAH-spezifischen Therapie auf individueller Basis.

Eine ausführliche Beschreibung der therapeutischen Strategie ist in den aktuellen ESC/ERS-Leitlinien (2022) zur PH zu finden.1

Verdacht auf PH ?

Bei Verdacht auf PH bei mit Lungenerkrankungen und/oder Hypoxie kontaktieren Sie hier unsere PH-Experten, um sich auszutauschen oder ein PH-Expertenzentrum in der Nähe.

Beispiel Teaser

ABG: Arterielle Blutgasanalyse

BNP/NT-proBNP: Brain natriuretic peptide/ N-terminales pro-BNP

cMRI: Kardiale Magnetresonanztomographie

COPD: Chronisch obstruktive Lungenkrankheit

CPET: Kardiopulmonale Belastungstests

CPFE: Kombinierte Lungenfibrose und Emphysem

CT: Computertomographie

CTEPH: Chronisch thromboembolische pulmonale Hypertonie

CTPA: Computertomographie, Lungenangiographie

DLCO: Kohlenmonoxid-Diffusionskapazität

EKG: Elektrokardiogramm

ERS: European Respiratory Society

ESC: European Society of Cardiology

ILD: Interstitielle Lungenerkrankung

mPAP: Mittlerer Pulmonalarteriendruck

P2: Zweiter Herzton

PaCO2: Partialdruck des arteriellen Kohlendioxids

PAH: Pulmonale arterielle Hypertonie

PaO2: Partialdruck des arteriellen Sauerstoffs

PAWP: Pulmonalarterienverschlussdruck

PFT: Lungenfunktionstest

PH: Pulmonale Hypertonie

PSM: Pansystolisches Geräusch

PVR: Pulmonalvaskulärer Widerstand

RV: Rechtsventrikulär

SPECT: Single-Photon-Emissionscomputertomographie

VQ-Scan: Lungenbeatmungs- /Perfusionsscan, Lungenszintigraphie

WHO: World Health Organization

  1. Humbert M et al. Eur Heart J 2022; 43(38): 3818–3731.

  2. DGPK, S2k-Leitlinie Pulmonale Hypertonie, Version 3.0, Stand 29.04.2020, verfügbar unter: https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/023-038 (letzter Zugriff am 08.04.2024).

  3. Waxman AB et al. Eur Respir Rev 2022; 31(165): 210220.

  4. Nathan SD et al. Eur Respir J 2019; 53(1): 1801914.

  5. Hoeper MM et al. J Heart Lung Transpl 2020; 39: 1435–1444.

  6. Humbert M et al. Eur Heart J 2022; 00, 1–112.